HM-Europameisterschaft Thionville vom 15.5.2011

 

Drittschnellste HM-Zeit bei meiner EM-Premiere!

 

Bei meinem heurigen Saisonhöhepunkt hoffte ich, fit am Start zu stehen und eine leichte Strecke vorzufinden. Beides war der Fall! Ebenso war die Nervosität von Beginn der Rennwoche (Mo, Di) verflogen. Da war ich ähnlich angespannt wie vor meinem bislang einzigen Marathon in Bregenz: Ich fühlte mich wie ein Formel-1-Pilot fünf Runden vor Schluss bei seinem letzten Saisonrennen, wo er nur mehr die Position halten muss, um Weltmeister zu werden. Wie dieser auf Radaufhängung und Reifen schaut sowie ängstlich auf die Motorengeräusche hört, hatte ich Bedenken, dass meine Familie gesund nach Frankreich kommt. Theodor hatte nämlich just in dieser Woche seine Eingewöhnungsphase in der Kinderkrippe begonnen. Meine Angst war, dass er was nach Hause schleppt und wir die Reise via Luxemburg nach Thionville dann nicht antreten könnten. Ab Mittwoch redete ich mir ein, dass Nervosität keinen Sinn macht und war ab diesem Zeitpunkt völlig entspannt. Am Freitag flogen wir nach Luxemburg und fuhren von dort mit einem Mietauto in die EM-Stadt Thionville, wo wir ein schönes Hotelzimmer mit herrlichem Blick über die gesamte Stadt bezogen.

 

Rennverlauf: Nachdem ich in Nizza den Schnitt von 5:20 nicht austesten konnte und mein letzter langer Trainingslauf drei (!!!) Monate zurücklag, entschied ich mich nach Rücksprache mit meiner Trainerin, es mit 5:25 zu versuchen. Die ersten beiden Kilometer waren viel zu schnell, da ich als EM-Teilnehmer am Beginn des Feldes stand und mich die Masse der Volksläufer des gleichzeitig abgehaltenen Thionville-HM überrollte. Dazu kam, dass es nach einem Kilometer von den breiten Straßen der Stadt auf einen schmalen Radweg entlang der Mosel ging. Nach rund drei Kilometern hatte ich mich dann auf den von mir gewünschten Schnitt "eingerollt". Bis KM 10 war das Problem, dass man relativ weit sah und einem die weit vor einem befindlichen Läufer etwas demotivierten. Ich kam bei KM 10 mit einer 53er-Zeit durch, was mir zu schnell erschien. Ich fühlte mich an dieser Stelle auch nicht gut und dachte, dass ich meine Kilometerzeiten jetzt auf 5:30 korrigieren müsste. Nach der Aufnahme von Kohlenhydraten kam ich - für mich überraschend - aber wieder in Schwung. Bei der VM-Distanz ging ich fast punktgenau mit meiner halben Endzeit durch (ca. 15 sec lief ich die zweite Hälfte schlußendlich schneller), was ich zu diesem Zeitpunkt aber nicht ahnte. Ich fürchtete einen Einbruch und ev. sogar einen Kampf mit der 2-h-Marke. Ich motivierte mich aber von KM zu KM: So tauchte ich bei KM 12 zwischen einem Deutschen und einem Engländer durch. Später hängte ich mich an die Fersen von zwei Läufern, die ein für mich ambitioniertes Tempo liefen. Ich musste an einen Co-Kommentar von Stefanie Graf bei einer VCM-Übertragung denken, als Günther Weidlinger nicht mit einem Spanier "mitging". Sie meinte damals, dass Günther sich wohl leichter getan hätte, hätte er sich angehängt. Wahrscheinlich hätte er damals den Ö-Rekord gebrochen. Man müsse an so einem Punkt nur die "Augen zumachen und treten, treten, treten, bis man wieder dran ist". Bei KM 16 setzte - wie schon am Start - leichter Regen ein, was mir zusätzlich schnelle Beine bescherte, da ja meine Familie im Ziel wartete und diese nicht unnötig lange im Regen ausharren sollte. Der Regen hörte allerdings nach wenigen Minuten wieder auf. Bei KM 17 passierte dann das, worauf ich schon zu Hause gehofft hatte: Ein Konkurrent aus unserem Lieblingsnachbarland tauchte vor mir auf. Ich klemmte mich an seine Fersen und wollte ihn unbedingt überholen. Er erwies sich als zäher Knochen, aber kurz nach KM 19 suchte ich die Entscheidung und lief an ihm vorbei. Als ich in meiner Euphorie auf meine Laufuhr blickte und dort 4:56 aufflimmerten, schaltete ich wieder einen Gang zurück. Dies war auch notwendig, da es dann bald vom Radweg an der Mosel ein paar Meter relativ steil zur Stadt hinaufging. Eben in der Stadt Thionville überholte ich noch einen Schweizer. Dann war ich aber am Ende mit meinem Latein und lief die letzten beiden KM mit einem Schnitt von ca. 5:10 ins Ziel. Vor dem Zielbogen wurden die Zuschauermassen immer dichter und standen sogar auf der Straße. In meiner Euphorie überhörte ich sogar, dass der Sprecher meinen Namen durchsagte, was mir Andrea später erzählte. Sie war kurz vor meinem Zieleinlauf zum Ziel gekommen, nachdem sie vorher Theodor sowie Stefan (den Sohn meiner Trainerin und dessen Lebensgefährten) betreute. Ich streckte glücklich die Arme in die Höhe, nachdem ich beim Zieldurchlauf an der offiziellen Uhr eine 1:53er-Zeit sah und ich somit meinen ersten EM-Auftritt absolut wunschgemäß absolviert hatte.


Strecke: Die Strecke ist vom Höhenprofil her einfach. Ausgeschrieben ist sie mit 43 m Höhendifferenz, was passen dürfte. Es sind kaum nennenswerte Anstiege und wenn, sind diese in der ersten Hälfte, sodass es in der zweiten Hälfte tendenziell bergab geht. Etwas mühsam sind Schwellen zur Verkehrsberuhigung, von denen etwa 30 Stück zu überwinden sind. Dort tritt man auf einer Schräge auf, dann auf ein Plateau und landet wieder auf einer Schräge. Start und Ziel sind in der 42.000-Einwohner-Stadt Thionville. Der Großteil des Kurses führt über einen Radweg entlang der Mosel. Außerdem werden noch zwei kleinere Ortschaften durchlaufen. Einprägsam ist auch der Blick auf ein nahegelegenes Atomkraftwerk, der einem rund ein Drittel des Kurses begleitet.


Organisation: Nachdem wir weder die Eröffnungs- noch die Schlussfeier der EM besuchten, war für mich kein Unterschied zu einem Volkslauf zu erkennen. Das ist jetzt aber nicht negativ gemeint! Die Startnummernausgabe fand in einer riesigen Turnhalle statt, wo auch eine kleine Expo angeschlossen war. Es gab drei Schalter: für Teilnehmer aus Frankreich, Deutschland sowie die anderen Nationen. Es war demnach auch deutschsprechendes Personal vor Ort. Die Verpflegung an der Strecke war tadellos. Die Stände waren zwar etwas kurz, aber interessanterweise ausreichend. Sie waren genau an den ausgeschriebenen Punkten eingerichtet. Gefreut hätte ich mich über eine Finishermedaille, da auch ein offener HM zeitgleich mit dem EM-Rennen standfand, diese gab es aber leider nicht. Somit hängt neben meinen Medaillen jetzt die EM-Akkreditierung.


Wetter: Es herrschten angenehme Laufverhältnisse mit Temperaturen um 17 Grad, leichtem Wind und zwei unwesentlichen Regenschauern/spritzern. Da die Strecke ein Rundkurs ist und man mehrmals "ums Eck biegt", ist der Wind nicht immer als Gegenwind vorhanden gewesen. Nachdem ich in einer windreichen Gegend wohne und trainiere, war er für mich überhaupt keine Herausforderung.

 

Spezielles/Statistisches: In Thionville habe ich meine Statistik der Zielankünfte unter 2 h weiter verbessert. Konkret steht es jetzt 12 : 11 für die Sub-2-h-Rennen. Überrascht hat mich, dass ich so weit unter zwei Stunden laufen und sogar mein angestrebtes Ziel meiner drittbesten HM-Zeit erreichen konnte. Nach drei HMs in sechs Wochen plus einem 9,5KM-Rennen ebenfalls innerhalb dieser Zeit, hat mich dieses Ergebnis verblüfft, vor allem die Art des Zustandekommens: Ich hätte auf den letzten Kilometern einen Kampf erwartet, konnte aber letztendlich mit weniger Anstrengung als befürchtet finishen. Geholfen haben mir diesbezüglich auch meine Motivationssprüche, die unter dem Punkt "Erfolge" dieser Website zu finden sind und die ich mir auf den letzten Kilometern immer wieder in Erinnerung gerufen habe.

 
Resümee: Mein erster EM-Halbmarathon ist der erhoffte Karrierhöhepunkt geworden! Ich stelle ihn auf eine Stufe mit meinem Marathon-Finish in Bregenz. Das Interesse für weitere internationale Meisterschaftsrennen ist jedenfalls voll intakt. Viel Freude hat mir auch das gemeinsame Antreten mit meinen beiden Lauffreunden Ruth und Michael - fern ab der Heimat - gemacht. Die verbrachte Zeit vor und nach dem Rennen im gleichen Hotel bzw. bei der kurzen Stadtbesichtigung und dem Abendessen vor dem Rennen war toll. Gratulation an dieser Stelle zu den herausragenden Platzierungen: Ruth EM-5. im Einzel, Michael EM-6. mit der österreichischen M55-Mannschaft! Beides sind die besten Platzierungen österreichischer Läufer bei dieser EM (beste Einzel- bzw. Mannschaftsleistung)!!!

 

Ausblick: Bereits vor Thionville habe ich mich dafür entschieden, meinen nächsten HM in diesem Jahr erst um den Nationalfeiertag im Oktober zu laufen. Und zwar strebe ich an, jetzt weiter ordentlich zu trainieren, um an meine HM-Bestzeit noch näher heranzulaufen oder diese sogar zu übertreffen. Dazu bedarf es einer vernünftigen Rennplanung und der Auswahl von geeigneten Kursen. Eine Idee für den diesbezüglichen Rennkalender habe ich bereits im Kopf. Allerdings ist die Fixierung noch nicht möglich, da noch ein paar Kleinigkeiten abzuklären sind. Ich freue mich aber jetzt schon auf Saisonhälfte 2, aber zunächst einmal auf die beiden unmittelbar bevorstehenden Rennen in Oberwart und Oberpullendorf.