New York City Halbmarathon vom 20.3.2016

Per Zufall zu einem Karrierehighlight!

Als ich im Jahr 2008 meinen Freunden erzählte, dass ich genau einen Marathon laufen möchte und der ein besonderer sein sollte, tippten alle auf New York. Für mich kam New York damals überhaupt nicht in Frage. Ich wollte nach Athen, landete aber in Bregenz, wo es mir ausgezeichnet gefiel. Im vorigen Herbst suchte ich nach einem Halbmarathon am Palmsonntag. Ich bin schön öfters einen HM am Palmsonntag im Ausland gelaufen, da man dann sehr bequem einen Familienurlaub in den Osterferien anhängen kann. Als ich entdeckte, dass der NYC Half im Jahr 2016 am Palmsonntag ausgetragen wird, überlegte ich mal: Der lange Flug würde mir nicht taugen. Andererseits würde es die letzte Möglichkeit sein, mit der Familie den Halbmarathon im Big Apple plus Sightseeing in Angriff zu nehmen. 2017 ist Theodor in der Schule und diese Kombination wegen der Anreise während der Schulzeit nicht mehr möglich. Außerdem hatte ich in der Zwischenzeit von echten Marathonweltenbummlern erfahren, dass in New York zu laufen auch für sie etwas ganz Besonderes gewesen ist. Ich entschied mich daher dafür und holte Angebote von Veranstaltern ein (= Kauf von Startnummer und Hotelaufenthalt). Neben dem zufälligen Termin im heurigen Jahr am Palmsonntag kam mir als weiterer Zufall entgegen, dass ich nach Einholung der Angebote von der Startnummernlotterie erfuhr. Für 5,-- Dollar nahm ich daran teil und erhielt tatsächlich eine Startnummer für 123,-- (statt 200,-- über die Veranstalter). Auch in der Hotelwahl war ich damit flexibel und günstiger unterwegs und entschied mich für ein Apparthotel am Central Park in der Nähe des Starts. Die Startnähe war dann "relativ", wie am Anfang des "Rennverlauf" zu ersehen ist.

Rennverlauf: In den USA wird die Sicherheit seit 9/11 groß geschrieben, wie man weiß. Für den NYC Half hieß das, dass man nicht einfach von überall in den Central Park zum Startbereich gehen konnte. Ich wäre von meinem Hotel ca. 1,5 km zum Start geschlendert, wenn ich westseitig den Central Park betreten hätte dürfen. Man durfte aber nur vom südlichen Ende den Park betreten, wo Sicherheitskontrollen wie am Flughafen durchgeführt wurden. Natürlich wurde man sehr frühzeitig dorthin gebeten (1 Stunde vor seinem Start, der bei mir um 7.45 Uhr war). Ich war aber ohnehin schon seit 4.00 Uhr wach. Die kühle Temperatur um Null Grad sowie der Wind hielten zusätzlich wach. Kurz vor dem Start der 1. Welle wurde die US-Nationalhymne live gesungen. Ich war mit meiner defensiv angegebenen Zielzeit von 1:58:21 h für Welle 2 von 3 vorgesehen - in Zugang 13 von insgesamt 29, was auf ein langsames Teilnehmerfeld schließen ließ. Der Start für Welle 1 erfolgte um 2 min verspätet, meiner pünktlich. Die Strecke führt zunächst über rund 9 km durch den Central Park, wobei dort ein ziemliches Auf-und-Ab von Anstiegen und Gefällen zu bewältigen ist. Ich merkte mir die beiden längeren Anstiege (einer mit 30 hm auf weniger als 1 km!) und nahm mir vor, auf Gefühl zu laufen. Kurz vor dem Start sagte ich mir noch, dass ich mir nichts mehr beweisen müsse und alle Anderen meine Endzeit sowieso nur "mittel" interessiert. Damit nahm ich  mir den Druck, "weil es New York ist", unbedingt unter 2 h bleiben zu müssen. Bei den längeren Anstiegen nahm ich von Beginn weg Tempo raus, bergab forcierte ich dann. Ich fühlte mich von Anfang an gut, fand den Park aber bald nicht abwechslungsreich (= "grüne Hölle" ähnlich dem Wiener Prater). Da kam es gerade Recht, dass man bei halber Distanz den Park verlässt und auf der 110. Straße den Central Park nördlich entlang läuft. Nach einer Labestation ist man wieder drinnen und vor dem längsten Anstieg der Strecke. Diesen lief ich wohldosiert und freute mich, als es wieder bergab ging. Ich fühlte mich weiterhin gut und rechnete nach, wann ich im Ziel an der Wall Street sein würde, damit ich diese Info meiner Familie sagen könnte, wenn ich sie an der Strecke treffe. Dann bekam ich leichte Knieprobleme und hoffte, dass diese nicht schlimmer würden. Als ich den Central Park im Süden dort verließ, wo wir die Kleidersäcke abgegeben haben und die Sicherheitskontrolle hatten, ging mir das Herz auf: In der 7th Avenue waren wir in den berühmten Häuserschluchten von Manhattan. Die Knieschmerzen waren Geschichte. Ich genoss jeden Schritt und achtete darauf, nicht an Andrea und Theodor vorbeizulaufen. Am Times Square erspähte ich schließlich Theodor anhand seiner grellgrünen Jacke und roten Haube. Ich blieb für einen Fotostopp stehen. Dieser motivierte mich derart, dass ich den nächsten Kilometer fast um eine Minute schneller lief als die anderen (ein bisschen geht es vom Times Square zum Hudson River aber auch bergab). Als ich das Ende der 42. Straße vom Times Square zum Hudson River erblickte, wunderte ich mich: Die Läufer bogen nicht nach links Richtung Südmanhattan ab, sondern nach rechts. Dieser Schwenk war aber nur ein sehr kurzer, bald folgte die Wende Richtung Süden. Am Vortag stiegen wir an dieser Stelle in das "New York Water Taxi" und machten eine Hop-on-hop-off-Tour mit diesem Boot. Da tat mir jeder Schritt in diesem Bereich vom vorangegangenen Sightseeing weh, am Renntag gibt es solche Schmerzen nicht! Im Gegenteil: Bei KM 15 signalisiert mir meine Uhr kurz später, dass ich auf Kurs unter 2 h war, wenn ich draufhalten würde. Ich verwarf diesen Gedanken gleich wieder, da ich sicher ins Ziel kommen und viele Eindrücke in Ruhe aufschnappen wollte. Am Beeindruckendsten an dieser Streckenpassage am Hudson River ist, dass man kilometerweit dem One World Trade Center entgegenläuft. Am gegenüberliegenden Ufer des Hudson River sieht man den Nachbarbundesstaat New Jersey. Das kilometerlange Anlaufen zum World Trade Center kann zermürbend sein, wenn man schlecht drauf ist, da es kaum näher kommt. Ich war aber bestens drauf und wusste von Nizza, dass auf einer derart langen Geraden ein Gebäude einfach ewig nicht näher kommt. In Nizza war es das Hotel Negresco mit seiner berühmten Kuppel. Rund einen Kilometer vor dem Ziel ging es dann noch in die Battery Park Unterführung. Auch mit solchen Unterführungen hatte ich schon Erfahrungen gemacht: Man läuft mit einer Superzeit rein und kommt mit Rückstand raus, da es am Ende ja bergauf gehen muss. Ich war daher vorsichtig, bewältigte diese rund 400 m lange unterirdische Passage aber ohne Probleme. Kurz nach dem Ende hat man ohnehin schon den großartigen Blick auf die Brooklyn Bridge als Entschädigung und erwartet die letzte 90-Grad-Linkskurve zum Ziel. Die Zielgerade ist dann verhältnismäßig kurz. Ich konzentrierte mich darauf, nicht von anderen Läufern verdeckt zu werden, um schöne Bilder zu erhalten, was gelang. Außerdem drückte ich die Uhr nicht auf der Ziellinie ab, was Fotos auch verdirbt, sondern überließ die Zeitnehmung dem Chip in der Startnummer ;-) Kurz nach dem Ziel gibt es ruck-zuck die Finishermedaillen (keine Wartezeit!) und Zielfotografen, die einen samt Medaille vor verschiedenen Hintergründen ablichten. Danach gibt es eine Wärmefolie, ein Finisherbag mit Verpflegung und den eigenen Kleidersack retour. Auch auf meinen Kleidersack musste ich keine Sekunde warten. Als ich diesen Läuferbereich verlassen hatte, traf ich auch schon Andrea und Theodor, mit denen ich per U-Bahn glücklich zu unserem Hotel zurück fuhr!

Strecke: Die Strecke ist vom Sightseeing-Faktor spitze, für die Erzielung von persönlichen Bestzeiten schwierig, wenngleich dies die Damensiegerin 2016 widerlegt hat. Im Central Park läuft man ca. 9,5 km, wobei hier die Bergaufpassagen lauern. Nach Verlassen des Central Parks geht es durch die Häuserschluchten des Big Apple mit einer Ausnahme flach dahin bzw. leicht bergab: Nur bei der Battery Park Unterführung kurz vor dem Ziel muss man noch einmal kurz bergauf laufen. Die Strecke ist durchwegs Asphalt ohne Kopfsteinpflaster.

Organisation: Die New York Road Runners veranstalten neben dem NYC Half auch den berühmten NYC Marathon und unzählige weitere Rennen quer übers Jahr. Man könnte durchschnittliche Qualität vermuten, da die Startplätze teilweise per Lotterie vergeben werden und hohe Qualität nicht unbedingt notwendig ist. Das Gegenteil ist der Fall: Bei der Startnummerabholung hatte ich keinerlei Wartezeit. Es gibt ein Funktionsshirt im Nenngeld inkludiert. Daneben kann man weitere Sportbekleidung rund um dieses Rennen kaufen. Auch Fotomöglichkeiten gibt es auf der Expo. Daneben kann man sich für soziale Medien registrieren, sodass sein Zieleinlauf in Echtzeit per Foto in Facebook und Co. gestellt wird. Die Abgabe des Kleidersacks beim Start ging - richtig - ohne Wartezeit. Die kleine Wartezeit der Sicherheitskontrolle beim Park-Eingang nimmt man in Kauf und ist man in New York von jeder Sehenswürdigkeit gewohnt. Im Startblock hatte ich ausreichend Platz und wurde nicht wie anderswo wie eine Sardine gequetscht. Auch auf den Straßen des Central Parks hatte ich von Beginn weg genug Platz, um mein eigenes Tempo zu laufen. Den reibungslosen Ablauf nach dem Finish habe ich schon weiter oben geschildert. Der Service für Teilnehmer vor und nach dem Rennen, was den Internet-Auftritt des NYC Half betrifft, ist punktgenau und lässt nichts vermissen.

Wetter: Das Wetter am Renntag wird vom Veranstalter mit "34 degrees, wind 14 mph" angegeben. Das bedeutet plus 1,11 Grad Celsius und 22,5 km/h Wind. Leser dieser Website wissen, dass ich immer vor einem zu starken Wind zittere. Na ja, wenn man im Nordburgenland wohnt und oft bei Starkwindverhältnissen trainiert, ist das wohl erklärlich. Das Wetter in New York beobachtete ich im Vorfeld mehrere Wochen im Internet. Fast immer war Südwind ausgewiesen. Die Strecke geht zum allergrößten Teil Richtung Süden... Am Renntag kamen die 22,5 km/h aber von Norden :-))) Das Rennwetter war auch deshalb 1a, weil am Vortag im Fernsehen Schneeschauer prognostiziert wurden. Die kamen ganz leicht am Abend. Am Vormittag war es bedeckt bis tlw. sonnig.
 
Spezielles/Statistisches: In New York lief ich mein 100. Straßenrennen bei insgesamt 115. Rennen (inkl. Bahn, Cross, Berg). Ich freue mich, dass der "Straßen-Hunderter" gerade im Big Apple gelungen ist! Die Finishermedaille hängt traditionsgemäß neben denen der vorangegangenen Rennen, die mir genauso wichtig sind: Rauchwart (meine südburgenländische Heimatgemeinde) und Bibione (mein Lieblingsurlaubsort seit 1976). Mit New York habe ich jetzt HMs auf 3 Kontinenten bestritten. Für meinen Verein bedeutete dieser Lauf sogar Rennfinishes auf jetzt allen 5 Kontinenten!!! Selbst bin ich nun in 12 verschiedenen Ländern außerhalb Österreichs rennmäßig aktiv gewesen.
 
Resümee: Es hat sich jedenfalls ausgezahlt, den Flug über den "großen Teich" zu diesem Halbmarathon zu machen. Die am Anfang dieses Berichts erwähnten Marathonweltenbummler haben sicher Recht, dass New York für einen Läufer etwas ganz Besonderes ist. Man kann den Halbmarathon sicher nicht 1:1 mit dem Marathon vergleichen, da der Marathon durch alle fünf Stadtteile New Yorks führt. Beim Halbmarathon ist man hingegen "nur" in Manhattan unterwegs, wovon man natürlich wesentlich mehr sieht. Die Stimmung ist beim Marathon natürlich noch gewaltiger, soweit man das den Fernsehübertragungen entnehmen kann. Ich kann New York jedenfalls allen Läufern uneingeschränkt empfehlen - egal, ob man sich für Marathon oder HM oder auch eine andere Distanz entscheidet!

Ausblick: Zwei Wochen nach New York erfolgt für mich als Kontrapunkt der Horitschoner Straßenlauf. In dieser mittelburgenländischen Gemeinde bin ich noch nicht gelaufen. Ich freue mich sehr darauf, da zwei Vereinskollegen von mir und auch etliche andere mir bekannte BLV-Sportler dort um Laufcuppunkte rittern werde. Ob sich meine Beine zwei Wochen nach einem HM im Höchsttempo über 5,9 km bewegen lassen, wird sich weisen. Wichtig ist aber sowieso zuallererst der Spaß am Laufsport!